Geschichte

Von den Ursprüngen des Schützenwesens und Wandlun­gen bis zur Neuzeit

Auf altgermanischen/keltischen Vereinigungen beruhend, sind „Schützenvereini­gungen“ sehr alt. Existenzielle Gründe der Nahrungsbeschaffung, der Verteidigung ebenso wie das Angreifen bildeten zweifellos weltliche Notwendigkeiten in menschlichen Gemeinschaften, sich im Gebrauch von Waffen zu üben. Nach dem Steinwerfen und Lanzenschleudern der Urmenschen war die erste Form des Waffengebrauchs das Bogen-, später das Armbrustschießen.

Nicht zu übersehen ist daneben der ausgesprochen kultisch-rituelle Charakter des „Vogelschießens“. Es ist wohl eine Art früh-religiöses Kultopfer in vorchristli­cher heidnischer Zeit gewesen „Schützenvogel“ als Würdezeichen, Vogelschuss als Sinnbild des „Königsopfers“, Prozession der „Schützen“ durch die Ortschaft, Proklamation des Schützenkönigs, feierliches „Opfergelage“, alles das sind histo­risch nachzuweisende Erscheinungen, die sich in verweltlichten Spuren über die Jahrhunderte bis in unsere Zeit in ständigem Wandel der inhaltlichen Ausprä­gung erhalten haben.

Spätestens im 14. Jahrhundert hatte das Vogelschießen seinen kultischen Sinn verloren. Auch wenn manche Statuten des 16. Jahrhunderts noch Gesten der Ehrerbietung gegenüber dem Abbild des Vogels von den Schützen- oder Gilde­brüdern forderten, hatte dies wohl weniger mit den prähistorischen Ritualen und ihren mythischen Hintergründen zu tun. Der Vogel war einfach zum würdigen Vereinsabzeichen geworden, dem man eine gewisse Achtung entgegenbrachte.

Von da an bis heute ist das Vogelschießen (Adler) vielerorts eine traditionelle Methode geblieben, um den Schützenkönig zu ermitteln, welcher mit seinen In­signien nichts mehr von der Funktion seiner archaischen Vorgänger hat, denn er ist le­diglich der beste Schütze beim Schuss auf eine Vogelattrappe. Der Schüt­zenum­zug ist vom halbliturgischen Akt der Prozession zum farbenfrohen Schau­spiel geworden. Auf dieses Schauspiel fiebern auch heute noch viele hin und sind be­geistert vom „Königsschuss auf den Vogel“.

Die eigentlichen Anfänge der Geschichte des deutschen Schützentums lassen sich im Zuge der Gildenemanzipation mit Beginn des 13. Jahrhunderts nachwei­sen. Bis ins 15. Jahrhundert wurden solche Vereinigungen hauptsächlich als kirchliche, handwerkliche oder bürgerliche Not- bzw. Schutz(Wehr)gemeinschaften meist in städtischen Ansiedlungen gegründet.

Die Schützengemeinschaften bildeten vornehmlich in den Städten schlagkräftige Bürgerwehren. Dabei beeinflussten sie nicht selten das kulturelle und gesell­schaftliche Leben. Die Wehrfähigkeit der Bürgerschaft, zunächst mit Bogen und Armbrust, später dann mit Feuerwaffen, wurde vielfach gefördert und führte zu Privilegien aller Art, die sich zum Teil noch bis in unsere Zeit erhalten haben. Den Kampfspielen der Ritterzeit folgten die einzigartigen großen Schützentreffen in vielen deutschen Städten.

Im Oldenburger Land gilt es zwei typische Beispiele für diese frühe Entwicklung: Friesoythe und Wildeshausen. In Wildeshausen lag der Ursprung im religiösen Gemeinschaftsleben der „Bruderschaft der 10.000 Ritter oder Märtyrer“ und in der seit etwa 1500 bestehenden Leichnamsbruderschaft. Aus der anderen Wur­zel, nämlich der Stadtverteidigung, entstand die wahrscheinlich älteste Schüt­zengilde unserer Region: die Schützengilde Friesoythe, welche ihre Schützen­fest-Tradition auf das Jahr 1337 zurückführt. Die Entstehung dieser Schützen­gilde ist das Ergebnis der mittelalterlichen Wehrerfassung der Stadt. Das be­zeugte Schützenfest entwickelte sich aus den regelmäßigen Wehrübungen der Schützen.

Weitere Schützengesellschaftsgründungen sind für das ausgehende 16. und den Anfang des 17. Jahrhunderts bezeugt, etwa für Cloppenburg 1585, Löningen 1597 und Lohne 1608. Die Vereine bestehen noch heute und führen ihre Tradi­tion auf die genannten Jahre zurück, ohne sich allerdings auf eine ungebrochene Kontinuität ihrer Vereinsgeschichte berufen zu können.

Im ausgehenden Mittelalter, besonders auch nach dem 30-jährigen Krieg ging die Bedeutung der Schützengemeinschaften infolge abnehmender Wehrhaftigkeit der Bürger – größtenteils durch wachsende Ansprüche der Territorialstaaten be­dingt – allmählich zurück. Erst etliche Zeit nach den Befreiungskriegen von 1813 (Ende des Freiheitskampfes der Tiroler 1809) kann man vom Beginn einer Er­neuerung der Schützenbewegung sprechen. Liberale und nationale Bestrebun­gen führten hauptsächlich nach 1830/1848/1859 zur Gründung von gesellschaft­lichen Turner-, Sänger- und Schützenvereinigungen, in denen sich das Bürger­tum auch auf die Pflege alter Schützentraditionen besann.

Die Entwicklung des Oldenburger Schützenwesens war bestimmt von national­staatlichem Denken und Handeln, welches die Zeit bis 1871 umfasste. Höhe­punkte aus schützengeschichtlicher Perspektive lagen in der Gründung des Deutschen Schützenbundes in Gotha 1861 und des Oldenburger Schützenbun­des 1862 in Oldenburg.

Das Schützenwesen erfuhr einen Aufschwung in der Zeit des Wilhelminischen Deutschen Reiches von 1871 – 1918. In diesem Zeitraum wurde etwa ein Drittel der Vereine des Oldenburger Schützenbundes gegründet. Der Geist der Zeit war, die Liebe zu Fürst und Vaterland, zu Kaiser und Reich zu bestätigen, sich im Gebrauch der Feuerwaffen, namentlich im Zielschießen aus freier Hand, zu üben, das Interesse für die Schießkunst zu beleben und die Geselligkeit zu pflegen.

Beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die Identifizierung mit dem Staat all­gemein, ja der Erste Weltkrieg 1914 – 1918 verstärkte im deutschen Volk Natio­nalgefühl und Staatsidentität und verdeckte zeitweilig auch politische Gegen­sätze. Wehrbereitschaft war nicht nur gefordert, sie wurde auch bereitwillig ge­leistet. Nach dem verlorenen Krieg und dem Vertrag von Versailles sowie dem Sturz der Monarchie und der Proklamation der Republik bzw. in Oldenburg des Freistaates war vor allem in bürgerlichen Kreisen die Stimmungslage der Nation niedergedrückt. Leibesübungen und Wehrsport wurden als ein bedeutsames Mittel gesehen, den „Bann von Versailles“ zu überwinden. Bei der Einführung des Wehrturnens war selbstverständlich auch an Schießübungen gedacht. Bei der Realisierung des schon vor dem Ersten Weltkrieg populären Gedankens an Wehrsport galten die Schützen „naturgemäß“ als potentielle und daher beson­ders begehrte Partner.

Schützenvereine und Schießsport waren nach dem Ersten Weltkrieg anders als nach dem Zweiten Weltkrieg nicht grundsätzlich verboten. Der diesbezügliche Artikel 177 des Versailler Vertrages lautete: “Unterrichtsanstalten, Hochschulen, Kriegs­ver­eine, Schützengilden, Sport- oder Wandervereine, überhaupt Vereini­gungen jeder Art, ohne Rücksicht auf das Alter ihrer Mitglieder, dürfen sich nicht mit mili­tärischen Dingen befassen. Es ist ihnen namentlich untersagt, ihre Mitglieder im Waffenhandwerk oder im Gebrauch von Kriegswaffen auszubilden oder ausbil­den zu lassen oder zu üben oder üben zu lassen“. Weil jedoch die Kleinkaliber­büchse, in England seit der Jahrhundertwende eingeführt und bei den Olympi­schen Spielen 1908 in London und 1912 in Stockholm im Wettbewerb als Sport­gerät, und nicht als Waffe galt, rückte der Kleinkaliberschießsport in den Mittel­punkt des Interesses der Schüt­zen. Man kann daher für die 1920er Jahre von einer neuen Phase in der Entwicklung des Schützenwesens sprechen. Es ent­standen neben den traditionellen Schützenvereinen, die das Kleinkaliber-Schie­ßen zunächst für ihre Jungschützen und sodann allgemein in ihr Schießpro­gramm aufnah­men, Schießabteilungen von Mehrspartensportvereinen, insbe­sondere bei den Polizei-, Post- und Eisenbahnsportvereinen. Kleinkaliberschieß­stände, die mit vergleichsweise geringem Aufwand eingerichtet werden konnten, entstanden zudem bei Kriegervereinen, beim Stahlhelm-Bund, bei der Hitlerju­gend sowie bei Gaststätten. Demgegenüber hielt das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold 1926 das Verbot aller Kleinkaliberver­eine für notwendig, um ein innen­politisches „Wettrüsten“ zu verhindern.

In der Zeit der totalitären Herrschaft des nationalsozialistischen Staates von 1933 – 1945 feierten die Nationalsozialisten ihren Herrschaftsantritt als „Befreiung vom Systemstaat“ der Weimarer Republik. In bürgerlichen Turn-, Sport- und Schützenvereinen sah sich die Mehrheit der Führungs­kräfte und Mitglieder 1933 am Ziel ihrer Wünsche, weil sie meinten, die von ihnen geschätzten und ge­pflegten Werte würden nun mit dem staatli­chen Werte- und Normensystem über­einstimmen. Das für den nationalsozia­listischen Staat konstitutive Führerprinzip wurde widerspruchslos akzep­tiert. Für die Mehrheit der Vereinsmitglieder änderte sich das gewohnte Vereinsleben erst mit Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939. Auch die gewohnten Rituale blieben strukturell gleich. Statt des Hochs auf Kaiser, Reich und Großherzog wurden bei feierlichen Anlässen die Toasts allerdings auf Adolf Hitler und den Gauleiter und Reichsstatt­halter Carl Röver ausgebracht. Auch die Organisationsstrukturen und die Satzungen wurden der nationalsozialistischen Totalität angepasst. Der Deutsche Schützenbund und der Oldenburger Schützenbund wurden auf­gelöst. An die Stelle der bisherigen Organisation des Schießsports trat 1935 der Deutsche Schützenverband, dem gleichzeitig die Funktion des Fachamtes für Schießen im deutschen Reichsbund für Leibesübungen übertragen wurde. Der Zweck-Paragraph der vom Reichs­sportführer am 5. März 1935 eingeführten Einheitssatzung lautete nunmehr: „Der Verein bezweckt die leibliche und seelische Erziehung seiner Mitglieder im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates durch planmäßige Pflege der Leibesübungen, insbesondere des Schießsports“.

Mit Erlass des Führers vom 21. Dezember 1938 wurde der Deutsche Reichsbund für Leibes­übungen in „Na­tionalsozialistischer Reichsbund für Leibesübungen“ um­benannt. Der NSRL wurde zu einer von der NSDAP betreuten Organisa­tion erklärt. Dass die Vereine nun eine von der NSDAP betreute Organi­sation waren, hatte zur Folge, dass sie ihre ohnehin nur noch geringe Au­tonomie völlig aufzugeben hatten. Die Aufgabe des Deutschen Schützenverbandes bestand u. a. darin, jeden wehrfähigen Deutschen zu einem brauchbaren, treffsicheren Schützen auszubil­den, wobei die Züchtung von Scharfschützen im Vordergrund zu stehen hatte.

Die zweite, über den NS-Staat hinaus wirkende Folge war, dass alle Schützen­vereine 1945 als nationalsozialistisch eingestuft wurden.

Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands brachten die Jahre 1945 – 1949 dem Raum des Oldenburger Schützenwesens eine neue Si­tuation. Das Leben hier war geprägt von der Politik der britischen Besat­zungstruppen, wobei auch der Schießsport verboten wurde. Nach den schon im Herbst 1944 in einem Handbuch von den Briten für den Fall der Besetzung Deutschlands erlassenen Rechtsvorschriften galten die NSDAP und die ihr angeschlossenen 52 Organisa­tionen von Beginn der tatsächlichen Besetzung an als verboten, aufgelöst und ungesetzlich. Ihr Vermögen unterlag einer Sperre und Kontrolle. Auf der Liste der 52 Orga­nisationen stand als Nr. 42 der „NS Reichsbund für Leibesübungen“, zu dem auch das Fach­amt Schießen gehörte. Der Schießsport und die Schützen­vereine galten damit automatisch als verboten. Sportwaffen wur­den beschlag­nahmt, Schützenhäuser geschlossen oder abgerissen, so­fern sie nicht ohnehin durch Kriegseinwirkungen unbenutzbar, zerstört oder zweckentfremdet waren. Erst Ende 1949 wurde der Schießsport wie­der zugelassen. Unverzüglich wurde mit der Reorganisation des Schüt­zenwesens begonnen. Bereits 1951 erfolgte die Wiedergründung des Ol­denburger Schützenbundes, bei der Vertreter von 33 Schützenvereinen anwesend waren. Der Schützenverein Stoppelmarkt gehörte mit zu den vielen Vereinsneugründungen in wenigen Jahren und trug somit zu einem er­freulichen Aufschwung sowie zur Stärkung des deutschen Schützenwesens bei.